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Mary Poppins im Dschungel

Eine Tanztheater-Rezension von Lilli Kranz

Am Abend der Premiere präsentierten die Schülerinnen und Schüler des 3. Semesters unter der Leitung von Thomas Vömel ein Tanztheaterstück, das ohne Worte eine Geschichte über die Herausforderungen und Träume während der Pandemie erzählte. Das Stück beeindruckte mit einem fantasievollen Einsatz von Bühne, Licht und Requisiten und entführte das Publikum in eine Welt, in der die Grenzen zwischen Realität und Vorstellungskraft verschwammen.

Das Stück setzte sich mit den Erfahrungen der Pandemie auseinander, einer Zeit, in der sich der Alltag vieler Menschen in eine unsichere und bedrückende Atmosphäre verwandelte. Trotz der Dunkelheit zeigte die Inszenierung, wie Träume und innere Stärke Licht ins Chaos bringen können. Durch eine Abfolge von Szenen wurde erzählt, wie die Schauspieler selbst mit Herausforderungen und Rückschlägen umgingen, wobei die Bewegungssprache der Tänzerinnen und Tänzer von Hoffnung und Widerstandskraft geprägt war. Ein zentrales Motiv war die Suche nach Freiheit, die durch fantasievolle Choreografien und symbolische Gesten ausgedrückt wurde.

Die Inszenierung führte das Publikum durch verschiedene emotionale Phasen – von beklemmender Angst bis hin zu befreiender Zuversicht. Besonders die Verwendung von Regenschirmen als wiederkehrendes Element, sowohl zu Beginn als auch in der Schlussszene, verlieh dem Stück eine visuelle Klammer und verstärkte den Eindruck von Transformation und Hoffnung.

Der Abend wurde von einer lebendigen und mitreißenden Atmosphäre geprägt. Bereits zu Beginn herrschte eine besondere Stimmung, da die Zuschauer mit Regenschirmen in den Saal kamen – ein Zufall, der die Verbindung zur Eröffnungsszene des Stückes unterstrich. Während des Stückes baute sich nach und nach Verständnis für die doch ungewöhnliche Sprache des Stückes auf. Nach dem er-sten Solo brach die Mauer und von da an wurde nach jeder Szene ausgiebig applaudiert, was die Begeisterung des Publikums widerspiegelte. Die Solistenleistungen fielen besonders auf: Das erste Solo überzeugte durch seine fließenden, emotionalen Bewegungen, die eine intensive Verbindung zur Musik aufbauten. Im Kontrast dazu wirkte das zweite Solo mechanischer und kontrollierter, was die thematische Vielfalt und die Entwicklung des Stückes unterstrich.

Beeindruckend war auch die Fähigkeit der Tänzerinnen und Tänzer, innerhalb weniger Sekunden komplette Kostümwechsel durchzuführen, ohne die Dynamik der Inszenierung zu unterbrechen. Doch auch die Gruppenszenen erzeugten durch Synchronität und ein durchdachtes Zusammenspiel eine starke Wirkung. In der Szene „Seiltänzer“ wurde dies durch das Spiel mit Licht und Schatten auf faszinierende Weise verstärkt. Ein weiterer positiver Aspekt des Tanztheaters war die Nutzung der Bühnen, die Schauspieler nutzten sowohl die Haupt- als auch die Vorbühne, wodurch das Raumgefühl vor allem in der Szene „Frühling“ erweitert wurde und das Publikum durch die Nähe in die Emotionen miteingezogen wurden.

Besonders intensiv war die Nähe zum Publikum in der Szene „Gruppensport“, die die Energie des Ensembles spürbar machte.Trotz der beeindruckenden Gesamtwirkung gab es einige Aspekte, die Raum für Verbesserungen boten. In der Eröffnungsszene war die Handhabung der Regenschirme uneinheitlich, was den visuellen Gesamteindruck leicht beeinträchtigte. Auch in der Szene „Windspiel“ fielen unterschiedliche Armbewegungen und mangelnde Präzision im Takt auf, wodurch der Fluss der Choreografie stellenweise unterbrochen wurde.

Ein weiteres Detail betraf die Szene „Unterwegs“, bei der der Übergang in die nächste Bewegung zu schnell erfolgte, wodurch die Möglichkeit, das zuvor geschaffene Bild wirken zu lassen, verkürzt wurde. Die Schlussszene, in der die „Hektik“ innerhalb weniger Sekunden auf einen Höhepunkt zusteuerte, wirkte leicht überstürzt, was der tiefgründigen Symbolik der Inszenierung etwas an Wirkung nahm. Dennoch war die Idee, eine Stuhlreihe als Abschluss des Stückes auseinanderzureißen, ein kraftvolles Bild, das das Motiv des Durchbrechens von Angst und Begrenzung eindrucksvoll unterstrich.

Besonders gelungen war die Verbindung zwischen den Szenen und der Musik, die jeweils die emotionale Atmosphäre der Choreografien verstärkte. In der Szene „Tausendfüßler“ und „Dschungel“ schuf die düstere und bedrohliche Musik ein beklemmendes Gefühl, welches die dargestellte Unsicherheit der Pandemiezeit unterstrich. Zudem spiegelten kleine Details wie das entgegengesetzte Rennen in der Szene „Apfelbaum“ oder das flüchtige Berühren in „Traumlandschaft“ subtil die Themen von Kontaktbeschränkungen und dem Gefühl des Gefangenseins wider.

Das Tanztheaterstück des 3. Semesters unter der Leitung von Thomas Vömel war ein facettenreiches und ausdrucksstarkes Werk, das trotz kleiner Schwächen eine eindringliche Geschichte erzählte. Die beeindruckenden Leistungen der Solisten, aber auch die durchchoreografierten Gruppenszenen, die fantasievolle Nutzung der Bühne und die kreative Verbindung zwischen Bewegung, Licht und Musik machten den Abend zu einem besonderen Erlebnis, welches durch die draußen herrschenden Wetterbedingungen nur verstärkt wurde. Auch wenn es an einigen Stellen an Präzision und dramaturgischer Ruhe mangelte, überzeugte die Inszenierung durch ihre emotionale Tiefe und ihren Mut, ein so komplexes Thema wortlos darzustellen.

Applaus

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